Suthalan Gnanes ist Geschäftsführer bei GreenFlux und verantwortlich  für den internationalen Vertrieb von Software zur Verwaltung von Ladeinfrastruktur. Er verfügt über umfangreiche Erfahrung in der Beratung und bekleidete diverse kommerzielle Funktionen bei deutschen DAX Unternehmen in der Telekommunikations- sowie Automobilbranche. Zuletzt war er mehrere Jahre in strategischer Funktion bei DKV Mobility tätig und mitverantwortlich für den Aufbau der Elektromobilität.

Wir haben uns für ein kurzes Interview verabredet, um seine Perspektive zum EV-Markt kennenzulernen, und uns über Trends und Entwicklungen in der E-Mobilität auszutauschen.

Wie entwickelt sich die E-Mobilität in Deutschland?

In Deutschland sehen wir gerade ein sehr starkes Wachstum bei E-Autos und Ladestationen. So sind bereits mehr als 14% aller neuzugelassenen Autos rein batterieelektrisch (BEV). Im Jahr 2020 waren das laut Kraftfahrbundesamt erst 6%. Das ist also eine Verdopplung in fast anderthalb Jahren.

Auch der Ausbau der Ladeinfrastruktur kommt voran. Aber die Entwicklungen reichen längst noch nicht aus, um das Laden flächendeckend zu ermöglichen. Im ländlichen Raum sind einfach noch nicht genug Ladestationen vorhanden, und Fahrer in Ballungszentren müssen oft lange suchen, um einen verfügbaren Ladepunkt zu finden.

Das kann sich mit den Ausschreibungen vom Bund in den nächsten Jahren ändern. Allein durch die Förderung des Deutschlandnetzes sollen bis 2023 mehr als 1000 Schnellladehubs in der gesamten Bundesrepublik entstehen.

Wie stehen wir mit diesen Entwicklungen im Vergleich zu anderen Ländern da?

Ich würde sagen, dass wir uns in eine sehr positive Richtung bewegen, sowohl im rechtlichen als auch wirtschaftlichen Sinne. Was die gesetzlichen Rahmenbedingungen angeht, sind wir in Europa ganz vorne mit dabei – nicht zuletzt durch das Eichrecht und die Novellierung der Ladesäulenverordnung. Andere Länder, wie zum Beispiel Österreich, nehmen Deutschland jetzt als Vorbild, um ihre eigenen Gesetze zu entwickeln.

Bei der praktischen Umsetzung sind unsere Nachbarn aber teilweise schon weiter. Die Niederlande, zum Beispiel, bleibt einer der Vorreiter in der E-Mobilität und profitiert dank früher staatlicher Förderung und Subventionen von einer breiten Akzeptanz in der Bevölkerung. Aber auch Länder wie Dänemark und Norwegen sind uns ein Stück voraus, was die Offenheit für E-Autos angeht.

Bei uns hingegen ist die Reichweitenangst noch ein großes Thema – trotz verbesserter Batteriekapazitäten und Ladeinfrastruktur. Inzwischen können wir mit E-Autos aus der mittleren Preisklasse gut 500 km fahren, bei winterlichem Wetter mit Frost und Schnee kann die Reichweiter aber auch unter 250 km fallen.

Wenn dann keine Ladestation in der Nähe verfügbar ist, sorgen sich Fahrer in einem Flächenland wie Deutschland natürlich, ob Sie ihr Ziel noch (rechtzeitig) erreichen. Wenn aber perspektivisch an Autobahnen alle 20-30km neue DC-Ladestationen entstehen, können wir Fahrern auch diese Sorge nehmen.

Das Schnelladen an Autobahnen ist besonders für Tankstellen und Raststätten, die als Ladesäulenbetreiber agieren, interessant. Wie unterscheidet sich deren Geschäftsmodell von den Ladedienstleistungen von Energieversorgern und weiteren Unternehmen in der Automobilindustrie?

Für Betreiber von Tank- und Raststätten ist es wichtig, möglichst viele Kunden gleichzeitig zu bedienen und Ihnen während des Ladevorgangs einen Kaffee, Snack oder eine Mahlzeit aus dem Shop anzubieten, um den Aufenthalt möglichst kurzlebig zu gestalten. Dafür investieren Sie in Ladestationen und Software, die eine hohe Verfügbarkeit garantieren.

Für Energieversorger ist es eher interessant, neben öffentlichen Ladeangeboten auch ins Home Charging einzusteigen. So können Sie Ladestationen zusammen mit einem Stromvertrag und weiteren Energiedienstleistungen vermarkten, um eine ganze Palette an Kundenwünschen zu erfüllen.

Automobilhersteller, Fuhrparkbetreiber und Leasinggesellschaften können Kunden durch guten Service an die eigene Marke binden. Sie überzeugen durch ein ganzheitliches Produkt, dass das Laden für Privatpersonen so einfach wie möglich macht – egal ob zuhause, am Arbeitsplatz oder unterwegs. Dabei ist ein Rundum-Service Portfolio mit Wallbox, Installationspartner, E-Auto, Ladekarte, und Lösung am Arbeitsplatz ideal, um Kunden langfristig anzuziehen.

Die Kosten für den Aufbau von Ladeinfrastruktur sind hoch. Was können Ladesäulenbetreiber und Mobilitätsdienstleister tun, damit sich Ihr Geschäftsmodell langfristig rentiert?

Beim Laden im öffentlichen Raum sollten CPOs besonders auf die Wahl eines guten Standorts achten. Neben der Anbindung an wichtige Verkehrsrouten empfiehlt es sich, Faktoren wie Parkplätze, Beleuchtung, Überdachung und vorhandene Dienstleistungen in die Standortplanung einzubeziehen. Nur so können Betreiber langfristig eine hohe Auslastung an ihren Ladestationen erzielen.

Zudem können Betreiber und Mobilitätsdienstleister maßgeschneiderte Angebote entwickeln, um speziell auf die Wünsche Ihrer Kundengruppen einzugehen. Neben einem ansprechenden und transparenten Pricing können sie Fahrer durch 24/7 Support, eine integrierte CPO/EMSP Lösung, und Roaming-Verträge mit Partnern im In- und Ausland überzeugen. Eine weitere Möglichkeit ist die Ladedienstleistungen mit dem bestehenden Service-Portfolio zu verknüpfen.

Worauf sollten CPOs und EMSPs beim Kauf einer Lademanagement-Software achten?

Idealerweise ist die Software perfekt auf die Bedürfnisse und Anforderungen des jeweiligen CPOs oder EMSPs zugeschnitten. Ein interessantes Feature, besonders für größere Unternehmen, ist die Multi-Tenant Fähigkeit. Dabei kann der Zugriff auf die Backend-Plattform über mehrere Regeln gesteuert werden, sodass nur Nutzer mit bestimmten Berechtigungen auf besonders sensible Daten zugreifen können.

Unternehmen aus der Energiewirtschaft profitieren oftmals von SaaS-Anwendungen mit dynamischem Lastausgleich, um Ladevorgänge während der Spitzenzeiten zu steuern und eine Überlastung des Stromnetzes zu verhindern. Auch Lösungsansätze, die das Laden von Elektroautos an Vorhersagen im Strommarkt anpassen, sind für diese Zielgruppe ideal, da sie zusätzliche Flexibilität und vor allem Kosteneinsparungen ermöglichen.

Betreiber im öffentlichen Raum, wie Städte und Kommunen, sollten darauf achten, dass die Software ihrer Wahl alle gewünschten Tarifmodelle unterstützt, damit sie Preise je nach Tageszeit, Wochentag oder Verkehrsdichte anpassen können. Auch eine Datenbank mit verlässlichen Informationen zum genauen Standort der Ladestationen, sowie die Möglichkeit Parkplätze zu reservieren und Gebühren für das Blockieren von Ladesäulen zu erheben, sind für diese Zielgruppe vorteilhaft.

Generell sollten Betreiber jedoch darauf achten, dass ihr Lösungsansatz flexibel genug ist, um neue Geschäftsmodelle zu unterstützen. Wir empfehlen daher immer hardware-unabhängige Lösungen, die Betreibern ermöglichen, Ladestationen von unterschiedlichen Herstellern über eine einzige Anwendung zu verwalten.

Müssen dabei je nach Wirkungskreis auch marktspezifische Anforderungen berücksichtigt werden?

Definitiv. Für CPOs und EMSPs in Deutschland und Österreich ist natürlich die Eichrechtskonformität (auch auf der Software-Seite) entscheidend. Für international agierende Unternehmen sind ein gutes Roaming-Angebot mit Zugang zu Hubs in anderen Ländern, sowie mehrsprachige Fahrer-Apps unerlässlich.

Auch eine zukunftsweisende Anwendung zum automatisierten Kalkulieren von Preisen, sowie Kooperationen mit Zahlungsgesellschaften können für diese Gruppe interessant sein, da Sie die Abrechnung in verschiedenen Währungen mit unterschiedlichen Steuersätzen vereinfachen.

Welche interessanten Entwicklungen stehen in nächster Zeit in der Branche an?

Wir sehen aktuell eine starke Konsolidierung im Markt. Das bedeutet, dass viele kleinere Ladeanbieter verschwinden und in größere Unternehmen mit höheren Budgets übergehen. Dadurch können wir mit neuen Produkt- und Serviceangeboten rechnen, da die Expertise von Pionieren in der Branche jetzt mit den Ressourcen von großen Konzernen zusammenkommt. Das kann die Einführung neuer Technologien im Markt beschleunigen.

Wir sehen dies jetzt schon bei der Plug & Charge Technologie. Automobilhersteller, Energieversorger und E-Mobility Unternehmen investieren bereits heute in die Zertifizierung nach ISO15118, da sie erwarten, dass sich das barrierefreie Laden in den nächsten Jahren durchsetzen wird. Fahrer müssten dann nur noch ein Kabel anschließen, um Ladevorgänge zu starten.

Veröffentlicht am: 25 August 2022 / Kategorien: Blog, GreenFlux /