Bis zum Jahr 2030 könnten mehr als 130 Millionen Elektrofahrzeuge in Europa unterwegs sein. Dementsprechend wird auch die Nachfrage nach Ladestrom stark ansteigen. Dabei rückt die Technologie zum intelligenten Lastmanagement besonders in den Fokus.
Mit Smart Charging und der Steuerung der maximalen Laderate kann eine Überlastung des Niederspannungsnetzes verhindert werden. Smart Charging kann sowohl auf lokaler Ebene als auch über Cloud-Plattformen angewandt werden. Beim intelligenten Laden werden Daten von Energieversorgern, Fahrern und Elektrofahrzeugen analysiert, um Ladevorgänge zu optimieren und erhebliche Kosteneinsparungen für Netzbetreiber, Ladestationsbetreiber und Fahrer zu erzielen.
GreenFlux sprach mit Bart Fick, Senior Expert Chargepoint Technology & Managed Charging Solutions von Eneco eMobility NL, da dieser kürzlich die Umstellung von einem lokalen Ansatz auf die Cloud-basierte Smart Charging Lösung von GreenFlux an einem Standort leitete. Fick ist seit mehr als 10 Jahren in der Branche tätig und war aktiv an der Entwicklung von Elektroautos beteiligt – von umgerüsteten Benzinern bis hin zu vollelektrischen Fahrzeugen. In unserem Gespräch ging es um die aktuelle und zukünftige Bedeutung des intelligenten Ladens bei der fortschreitenden Elektrifizierung des Verkehrs, den Unterschied zwischen lokalen und Cloud-basierten Lösungen, und vieles mehr. Wir haben die interessantesten Themen aus dem Interview für Sie ausgewählt:
Wie viele Ladestationen betreiben Sie an dem Standort, der vor kurzem umgestellt wurde?
Am Haupteingang haben wir 174 Ladestationen, aufgeteilt in drei Gruppen. Jede Gruppe besteht aus einem Netz von Ladestationen und ist mit einer 300-Ampere Sicherung direkt an die Transformatorenstation am Standort angeschlossen. Zwanzig Ladepunkte für Mitarbeiter befinden sich ebenfalls in der Nähe des Standorts und nutzen auch die intelligenten Ladelösungen.
Können Sie den lokalen Smart-Charging Ansatz, den Sie vor unserer Cloud-basierten Lösung in Betrieb hatten, näher beschreiben?
Unsere lokale Lösung verwaltete die drei Gruppen. Für die erste Gruppe hatten wir die Lösung schon vor einigen Jahren installiert. Als wir im Jahr 2020 die Anzahl der Ladestationen erhöht, und somit den Standort um zwei zusätzliche Gruppen erweitert, haben, wurde eine Neubewertung des Smart-Charging-Ansatzes erforderlich. Wir wollten einen genaueren Überblick über die Ladevorgänge am Standort haben, um Kunden bei Fragen besser zu unterstützen und den Betrieb der Ladeinfrastruktur zu optimieren. Uns war schnell klar, dass wir dafür eine Anwendung zur Fernverwaltung benötigen würden.
Welche Nachteile oder Probleme traten bei Ihrer lokalen Smart Charging Lösung auf?
Mangelnder Einblick
Ein Problem, war, dass wir die Funktionsweise von lokalen Lösungen aus der Ferne nicht einzusehen konnten. So bekamen wir von Fahrern oder Standortmanagern regelmäßig anfragen, wenn sie bemerkten, dass ein Auto zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr lud oder eine geringere Ladeleistung erhielt.
Die mobilen Apps von E-Autos sind hervorragend darin, Ladevorgänge zu überwachen und Fahrer bei Abweichungen zu benachrichtigen. Leider berücksichtigen diese Apps nicht, dass etwaige Schwankungen aufgrund von einer intelligente Ladesteuerung auftreten können. So entsteht bei Kunden leicht der Eindruck, dass die Ladestation nicht optimal funktioniert, und es kommt zu Fragen. Da wir aus der Ferne keinen Einblick in die korrekte Funktionsweise des Systems hatten, mussten wir regelmäßig Spezialisten an den Standort schicken, um Fehler zu untersuchen und bei dutzenden Fahrzeugen zu reproduzieren. Das war nicht sehr effizient.

Keine Optimierung
Es ist schwer, eine lokale Ladelösung zu optimieren. Aus der Ferne lässt sich nur bedingt verstehen wieso ein bestimmtes Muster auftritt und wie intelligente Ladeentscheidungen getroffen wurden. Mann kann nur annehmen, dass das System korrekt funktioniert und muss sich besonders bei größeren Netzen auf die Rückmeldung von Problemen durch Kunden verlassen. Wir wollten jedoch nicht jedes Mal zum Standort fahren, wenn dort eine Störung gemeldet wurde.
Probleme mit der Vernetzung
Eine weitere Herausforderung war die Vernetzung. Für eine lokale Konfiguration benötigt man ein ein langes kabelgebundenes Netz. Dies bringt zusätzliche Komplexität und Kosten mit sich, sowie das Risiko, dass im Falle einer Störung die Datenverbindung und Kommunikation am gesamten Standort ausfallen. Beim Cloud-basierten Smart Charging ist jede Ladestation dagegen über ihr eigenes Mobilfunkmodem verbunden.
Was sind die Vorteile der cloudbasierten Smart-Charging-Lösung?
Ein zukunftssicherer Ansatz
Die Cloud-basierte Lösung bietet zusätzliche Flexibilität in Bezug auf künftige Kundenanforderungen und technische Entwicklungen. Für Eneco e-mobility ist das ein wichtiger Vorteil, da wir so unser Dienstleistungsportfolio erweitern können. Unsere Kunden wollen energieeffizierten Laden, mehr lokal erzeugten Strom verwenden und gleichzeitig ihre Kosten senken. Wir gehen davon aus, dass die Anforderungen unserer Kunden in Zukunft ansteigen und komplizierter werden. Mit einem cloud-basierten Ansatz haben wir die Chance unsere Bekenntnis zu „eMobility made e-asy“ zu erfüllen, indem wir unsere Kunden nicht unnötig mit der Komplexität von Ladesystemen belasten. Unsere Kunden müssen die lokale Stromerzeugung aus Photovoltaik-Anlagen mit den Netzanforderungen in Einklang bringen. Wir können zwar einige Entwicklungen bereits jetzt vorhersehen, müssen aber auch flexibel genug sein, um auf zukünftige Anforderungen zu reagieren.
Wir sind dabei, die Lösung von GreenFlux auch an anderen Standorten einzuführen, besonders an solchen mit großen Ladenetzen oder komplizierten Begebenheiten.
Zudem beobachten wir was in der Welt passiert, zum Beispiel die steigenden Gaspreise. Immer mehr Menschen suchen jetzt nach Möglichkeiten, Häuser und Büros mit Strom und Wärmepumpen zu beheizen, was die Auslastung des Stromnetzes erhöht. Wenn dann auch noch im großen Stil an E-Autos geladen werden, ist das während der Spitzenzeiten eine riesige Belastung für das Stromnetz. Wir können das Netz für Betreiber stabilisieren, indem wir die Leistung für die Fahrzeuge zu bestimmten Zeiten drosseln. Mit der cloudbasierten Lösung haben wir viel mehr Möglichkeiten, auf Kundenwünsche individuell zu reagieren, und es gibt mehr Anreize, wenn man Flexibilität bieten kann.
Fernverwaltung
Ein wesentlicher Vorteil des Cloud-basierten Smart Charging ist die Möglichkeit, aus der Ferne einen Einblick in die Ladevorgänge zu erhalten. Das hilft uns vor allem bei der Fehlerbehebung und dem Asset Management. So müssen wir nicht jedes Mal einen Mechaniker zu den Standorten schicken, wenn es eine Beschwerde gibt. Wenn ein Kunde uns anruft und eine Frage hat, können wir diese klären und ihm direkt Auskunft geben. Falls nötig, lösen wir oder GreenFlux das Problem aus der Ferne. Dadurch haben wir jetzt eine schnellere Reaktionszeit bei Fehlern vor Ort.
Skalierbar
Bei einer lokalen Lösung wird es mit einer zunehmenden Anzahl von Ladestationen schwierig, das Netz zu konfigurieren und weiterhin effizient zu betreiben. Eine Cloud-basierte Lösung bietet dagegen praktisch unbegrenzte Skalierungsmöglichkeiten und erlaubt uns, Netzwerke ohne Einschränkungen zu erweitern.
Der Cloud-basierte Ansatz bedeutet auch, dass wir nicht auf eine Marke beschränkt sind. Viele unserer neuen Kunden haben bereits ein Netzwerk mit einer bestimmten Marke installiert und möchten es erweitern. Manchmal haben sie auch neue Anforderungen, die ihr bestehender Ladestationshersteller nicht erfüllen kann. Lokale intelligente Ladelösungen sind meist markenspezifisch, so dass eine Erweiterung nur möglich ist, wenn man sich wieder für dieselbe Marke von Ladestationen entscheidet. Mit einem cloudbasierten System können wir Ladestationen verschiedenster Marken einführen und sie einfach als eine Gruppe verwalten.
Außerdem wird es Zukunft neben den AC-Ladesäulen auch mehr DC-Ladesäulen geben. Wir sehen, dass die intelligenten Ladesysteme vieler Hersteller nur entweder für AC-Ladestationen oder nur für DC-Ladestationen konzipiert wurden. Das macht es schwierig, eine intelligente Ladelösung, die sowohl AC- als auch DC-Ladestationen an einem Standort unterstützt, lokal zu implementieren. Der Cloud-basierte Ansatz von GreenFlux ermöglicht Betreibern, das Netz bei Bedarf zu einem späteren Zeitpunkt um DC-Ladestationen zu erweitern. Die Lösung ist flexibel in Bezug auf die Auswahl der Marke und die Mischung von AC und DC-Ladesäulen.
Vernetzung
Ein langes Netz an Leitungen und Kabeln ist natürlich mit zusätzlichen Kosten verbunden. Beim cloud-basierten Ansatz brauchen wir aber kein lokales Netz mehr, und das ist ein großer Vorteil, weil wir Ladestationen jederzeit dort hinzufügen können, wo sie benötigt werden.
Kosten
Wir haben festgestellt, dass die Cloud-basierte Lösung bei Betrachtung der Gesamtbetriebskosten günstiger ist als die lokale Lösung. Wenn wir alle Besuche vor Ort mit einkalkulieren, die beim Smart Charging über die Cloud entfallen, ist diese Variante für uns deutlich günstiger.
Regelmäßige Updates
Der Algorithmus wird im fortlaufend verbessert. So müssen wir keine lokalen Updates vornehmen, da alles über die Cloud aktualisiert wird. GreenFlux kann aus der Ferne die Algorithmen verbessern, und Ladestationen an allen Standorten, die Cloud-basiertes Smart Charging nutzen, profitieren sofort davon.
Der wichtigste Punkt für uns ist, dass wir einen guten Überblick über das Ladenetz haben, etwaige Probleme überwachen können und dadurch in der Lage sind, die Leistung zu verbessern.
Hatte die Umstellung auf den Cloud-basierten Ansatz irgendwelche Auswirkungen auf Fahrer?
Was die Funktionsfähigkeit betrifft, sollte die Umstellung keinen Unterscheid für Fahrer machen. Der große Vorteil ist, dass wir jetzt das Verhalten der Ladestation direkt erklären und Probleme oft lösen können, ohne einen Mechaniker am den Standort zu schicken. So können wir Kundenanfragen viel schneller beantworten als mit einer lokalen Smart-Charging-Lösung.
Glauben Sie, dass die cloudbasierte Lösung die Zahl der Serviceanfragen oder Kundenbeschwerden verringern wird?
Es geht nicht darum, wie viele Beschwerden wir haben, sondern wie schnell wir sie beantworten und lösen können. Bei lokalen Lösungen können wir oft nicht nachvollziehen, was passiert ist. Wenn wirklich ein Problem aufgetreten ist, dauert es mehrere Tage, bis ein Mechaniker vor Ort das Problem untersucht. Mit einer Cloud-basierten Lösung können wir viele Probleme innerhalb von Stunden oder sogar Minuten lösen, da es durch den Fernzugriff einfacher ist, die Ursache eines Problems zu erkennen und zu beheben.
Wie wird sich Cloud-basiertes Smart Charging in Zukunft auf Eneco auswirken?
Das wichtigste Ergebnis dieses Projekts ist, dass wir einen Einblick in das Ladenetz haben, etwaige Probleme überwachen können, und dadurch in der Lage sind, die Leistung der Ladeinfrastruktur zu verbessern. Außerdem handelt es sich um eine umfassendere Lösung, und wir brauchen nur wenig Projektentwicklung oder Management, um sie an anderen Standorten einzuführen.
Wenn wir unser Angebot um Energiedienstleistungen erweitern wollen, z. B. um zu berücksichtigen, wann der Strom tagsüber günstiger oder nachhaltiger ist, ist das cloudbasierte intelligente Laden unerlässlich. Wir gehen davon aus, dass cloudbasierte Lösungen kosteneffizienter sind, da sie skalierbar, flexibel und allgemein anwendbar sind. Wir führen die Lösung von GreenFlux jetzt auch an anderen Standorten ein, insbesondere solchen mit großen Ladenetzen oder komplizierten Anforderungen.